Projektleiter: Prof. Dr. Joachim Bahlcke
Beschreibung und Zielsetzung des Projekts: In welchem Spannungsfeld bewegten sich kirchliche Loyalitäten zwischen Reformation und Aufklärung? Welchen Einflusssphären waren protestantische Geistliche zwischen Brandenburg-Preußen und Polen-Litauen ausgesetzt? Welche Loyalitätskonflikte ergaben sich daraus für protestantische Geistliche in diesem geographischen Umfeld? Das Dissertationsprojekt „Loyalitäten im Widerstreit. Protestantische Geistliche zwischen Brandenburg-Preußen und Polen-Litauen im 18. Jahrhundert“ versucht anhand eines konkreten Fallbeispiels solch grundlegende Fragen zu erörtern. Der preußische Prediger Johann Gottlieb Elsner (1717-1782) bietet sich aus verschiedenen Gründen als Ausgangspunkt der Untersuchung an:Elsner, dessen Familie im 16. Jahrhundert aus konfessionellen Motiven ins polnische Lissa ausgewandert war, betreute seit 1747 eine reformierte böhmische Gemeinde in Berlin. In dieser Funktion unterhielt er zahlreiche Verbindungen zu anderen reformierten Gruppen im In- und Ausland, zur preußischen Verwaltung aber auch zu seiner Mutterkirche, der großpolnischen Brüderunität in Lissa. 1761 wurde er von dieser in Personalunion zum auswärtigen Senior gewählt. Fortan sah er sich verschiedenen Erwartungshaltungen ausgesetzt: Die preußische Obrigkeit und Verwaltung forderte Dankbarkeit für die Schulstipendien sowie das Auftreten Preußens als Schutzmacht der Protestanten im östlichen Europa. Die Seniorats- und Priesterkollegen Elsners aus der Unitas Fratrum, die sich als reformierte Minderheit im katholischen Polen beständig dem Generalverdacht des Vaterlandsverrats durch Zusammenarbeit und Kommunikation mit ausländischen Mächten ausgesetzt sahen, bewerteten Elsners Doppelfunktion zwiespältig: Sie betrachteten sie zwar als günstige Gelegenheit, um einen einflussreichen Vertreter in der Nähe des preußischen Königshofes zu besitzen, erwarteten jedoch von ihrem auswärtigen Senior diskretes und diplomatisches Agieren, ohne das Misstrauen der polnischen Obrigkeit weiter zu steigern.Elsner eignet sich daher als Sonde, um Loyalitätskonflikte protestantischer Geistlicher in der Frühen Neuzeit zu untersuchen. Seine weit gespannten Korrespondenzen und zahlreichen Veröffentlichungen bieten zusammen mit Briefen weiterer Akteure sowie Synodalbeschlüssen eine breite archivalische Grundlage für die Untersuchung der beschrieben Thematik.Diese mikroperspektivische Fallstudie soll jedoch nicht für sich stehen, sondern eingeordnet werden in das Spannungsfeld kirchlicher Loyalitäten zwischen Reformation und Aufklärung unter besonderer Berücksichtigung protestantischer Geistlicher zwischen Brandenburg-Preußen und Polen-Litauen.