Im Rahmen des Projekts wird eine historisch-kritische Edition der insgesamt 31 Tagebücher des schlesischen Adeligen Rudolf Graf Stillfried-Alcántara (1804-1882), die der Forschung bisher kaum bekannt waren, vorbereitet. Die der Abteilung zu Editionszwecken freundlicherweise zur Verfügung gestellten Tagebücher sind Eigentum der schlesischen Grafenfamilie Praschma und werden nach Abschluss des Projekts an das Geheime Staatsarchiv in Berlin-Dahlem abgegeben.
Das Vorhaben knüpft an die beiden bereits abgeschlossenen Projekte „Adel in Schlesien“ [Harasimowicz, Jan/Weber, Matthias (Hg.): Adel in Schlesien, Bd. 1: Herrschaft – Kultur – Selbstdarstellung. München 2010; Bahlcke, Joachim/Mrozowicz, Wojciech (Hg.): Adel in Schlesien, Bd. 2: Forschungsperspektiven – Quellenkunde – Bibliographie. München 2010] und „Schaffgotsch“ [Bahlcke, Joachim/Schmilewski, Ulrich/Wünsch, Thomas (Hg.): Das Haus Schaffgotsch. Konfession, Politik und Gedächtnis eines schlesischen Adelsgeschlechts vom Mittelalter bis zur Moderne. Würzburg/Freiburg i. Br. 2010] an.
Monarchisches Zeremoniell, dynastische Erinnerungskultur und architektonische Herrschaftsrepräsentation sind Phänomene, die in der jüngeren historischen Forschung breite Aufmerksamkeit im Kontext kulturwissenschaftlicher Fragestellungen erfahren haben. Dies gilt freilich nur bedingt für die verantwortlichen Figuren im Hintergrund, die hohen höfischen Beamten und Zeremonienmeister, die die Repräsentation und die Memoria der europäischen Herrscherhäuser seit der Frühen Neuzeit maßgeblich prägten. In diese Kategorie gehört mit dem Freiherrn – beziehungsweise später dem Grafen – Rudolf von Stillfried-Alcántara auch ein Schlesier, der fast sein gesamtes Leben in den Dienst der Hohenzollernmonarchie stellte, dessen Wirken in der Forschung bislang aber nur gestreift wurde.
Geboren und aufgewachsen im niederschlesischen Hirschberg, ließ sich Stillfried nach seiner schulischen Ausbildung und einem Jurastudium in Breslau zunächst auf seinen niederschlesischen Ländereien nieder und begann eine rege Publikationstätigkeit zu dynastisch-heraldischen Fragen sowie zur Geschichte des Hauses Hohenzollern. Seine enge Bekanntschaft mit dem preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm ermöglichte ihm nach dem Thronwechsel von 1840 eine glänzende Karriere am Berliner Hof. Stillfried diente Friedrich Wilhelm IV. und später dann dessen Bruder und Nachfolger Wilhelm I. mehrere Jahrzehnte lang als Oberzeremonienmeister, Direktor des Königlichen Hausarchivs und Leiter des für Adelsfragen zuständigen Heroldsamtes.
In diesen Funktionen oblag ihm die Pflege der monarchisch-dynastischen Symbolik – Fahnen, Wappen, Siegel, Orden etc. – ebenso wie die Organisation aller zentralen Jubiläums- und Krönungsfeierlichkeiten, etwa der prunkvollen Krönungszeremonie Wilhelms I. 1861 in Königsberg. Zu diesem Anlass wurde Stillfried in den preußischen Grafenstand erhoben, nachdem ihm sein Einsatz bei der Vermählung einer Prinzessin von Hohenzollern-Sigmaringen mit Pedro V. von Portugal drei Jahre zuvor bereits den portugiesischen Titel eines Grafen von Alcántara eingebracht hatte. Der Nachwelt bekannt geworden ist sein Name nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem maßgeblich von ihm initiierten und 1867 abgeschlossenen Wiederaufbau der Burg Hohenzollern bei Hechingen, in dessen Verlauf er vor allem das ikonographische Programm verantwortete.
Mit der Texterfassung der Tagebücher (Transkription des Textes und Anlage eines Textapparats) begann man bereits im Jahr 2011, gefördert mit Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Zur Zeit werden die transkribierten Tagebücher mit einem Sachapparat, Personen- und Ortsregister ausgestattet.
Die Anlage des Apparats und der Register sowie die redaktionelle Bearbeitung des gesamten Textes erfolgen mit Hilfe des Textverarbeitungsprogramms TUSTEP (Tübinger System von Textverarbeitungs-Programmen), das eine komplexe Verarbeitung von Texten, die Anlage von mehreren Apparaten und Registern, eine Verlinkung zwischen Text, Apparaten und Registern sowie die Herstellung von fertigen Satzfahnen ermöglicht. Die einzelnen Tagebücher werden erschlossen, die darin vorkommenden Personen identifiziert und in Apparat und Register erfasst. Zusätzlich werden Ergänzungen und Korrekturen in Text, Apparat und Registern vorgenommen sowie technische Probleme, die die Anlage von Apparat und Register und den gesamten Satz betreffen, gelöst.
Leitung: Prof. Dr. Joachim Bahlcke, Prof. Dr. Roland Gehrke
Wiss. Mitarbeiter: Rafael Sendek M.A.