Die Methode der Oral History

Objekte Oral History

Oral History ist eine Methode der Geschichtswissenschaft, die auf Gesprächen mit Zeitzeugen basiert. Diese Gespräche werden unter bestimmten Bedingungen geführt und aufgezeichnet. Dies ermöglicht einen wissenschaftlichen Umgang mit den gewonnenen Informationen.

Entscheidend ist hierbei die Auswahl der Fragen. Diese sollten den Interviewpartner zum Antworten anregen, aber keine Antworten vorwegnehmen, d.h. nicht intendierend sein. Die sorgfältige Dokumentation und Transkription des Interviews ist ebenfalls von großer Bedeutung. Eine auf diese Weise geschaffene historische Quelle muss auch für andere nachvollziehbar sein. Das Interview selbst kann allerdings nur von Interviewer und Zeitzeugen miterlebt werden. Dies bedeutet, dass der Interviewer versuchen muss, die verbale aber auch die nonverbale Kommunikation im Rahmen des Interviews transparent zu machen. Das geschieht durch die Wahl einer geeigneten Aufnahmetechnik sowie durch eine sorgfältige Transkription des Gesprächs. Die Transkription wird durch Hinweise auf nicht aufgezeichnete Beobachtungen ergänzt. Das sind beispielsweise besondere Gesten, Veränderungen in der Sprechweise oder Situationen, in denen der Zeitzeuge in einen Dialekt fällt.

Oral History unterscheidet sich von anderen Methoden dadurch, dass ein direkter Kontakt zu Menschen besteht. Dies bietet Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns, die bei anderen Methoden wie beispielsweise der Untersuchung von Urkunden oder Briefen nicht vorhanden sind. Durch die Methode der Oral History kann man insbesondere Menschen erreichen, die häufig selbst keine schriftlichen Zeugnisse über ihr Leben hinterlassen. Sie ermöglicht dem Historiker direkt von den Menschen zu erfahren, wie sie ihren Alltag erlebt haben, beziehungsweise wie sie sich daran erinnern. Bei der Methode der Oral History geht es weniger um „objektive Fakten“ als vielmehr darum, wie sich die Ereignisse auf die individuelle Erinnerung des Betroffenen ausgewirkt haben.

Dies birgt jedoch auch gewisse Schwierigkeiten. In vielen Fällen ist es nicht leicht, zu unterscheiden, ob sich bestimmte Ereignisse im Rückblick für den Betroffenen verändert haben, oder ob er sich noch an das erinnert, was damals tatsächlich geschehen ist. Insbesondere bei Ereignissen, die viele Menschen betreffen, kommt es zur Entwicklung einer kollektiven Erinnerung. Vor allem bei einschneidenden Veränderungen wie beispielsweise einem Regimewechsel kann es vorkommen, dass sich Erinnerungen im Nachhinein verändern, weil sich die äußeren Rahmenbedingungen geändert haben. Das bekannteste Beispiel dafür ist die gesellschaftliche Umdeutung der Ereignisse während der NS-Zeit.

Die individuellen Erinnerungen und die kollektive Erinnerung vermischen sich, sodass sich stellenweise kaum noch zwischen diesen beiden Formen der Erinnerung unterscheiden lässt. Diese Prozesse geschehen nicht bewusst, sondern sind Teil des alltäglichen Lebens. Deswegen sind sorgfältige Recherchen zu den Ereignissen der behandelten Zeiträume erforderlich. Informationen über die individuelle Biographie des Zeitzeugen helfen ebenfalls dabei, die richtige Einschätzung zu treffen. Insbesondere wegen der Subjektivität der Ergebnisse wird die Methode der Oral History von manchen Historikern durchaus kritisch gesehen. Letztendlich hängt es vom Forschungsinteresse und der Forschungsfrage des Historikers ab, ob diese Methode für seine Fragestellung geeignet ist oder nicht.

Literatur:

 

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Letzte Änderung: 29.04.13 - DO