Emigration und Exil von Wissenschaftlern und Ingenieuren 1930-1950


Deutsche Emigranten in Shanghai



Inhaltsverzeichnis

Einführung
Zum Emigrationszentrum Shanghai
Die drei Perioden der Emigration
Ankunft in Shanghai
Deutsche in Shanghai
Historisches Beispiel eines Exilanten: David Ludwig Bloch
Schlussfolgerung
Benutzte Literatur


Einführung



Zwischen 1845 und 1945 kamen mehr als 40.000 Juden nach China, um Geschäfte zu machen oder sichere Zuflucht zu suchen. Paß- und Einreiseämter gab es nicht. Seit der Zeit der ,,ungleichen Verträge" (1842/44) -- abgeschlossen zwischen der Pekinger Mandschouguo-Dynastie und England respektive Amerika -- genossen einige chinesische Hafenstädte, darunter auch Shanghai, Exterritorialität. Sie bestand darin, dass die chinesische Verwaltung so gut wie ausgeschaltet war, dass das indische und türkische Opium durch die East India Company in aber Tausenden von Tonnen nach China verfrachtet wurde, und bestand nicht zuletzt in den rücksichtslosen, den chinesischen Handel völlig lähmenden Kapitalinvestitionen, Steuerfreiheiten, Extraprofiten und Garantien für eine weiße Minderheit. 1915 hatte Shanghai nahezu 1,5 Millionen Einwohner, darunter 787.920 Ausländer in den beiden international verwalteten Bezirken; bis zum Jahr 1930 war deren Zahl auf 36.471 angestiegen (zumeist Japaner, Briten, Russen und Amerikaner). 1934 stieg die Bevölkerungszahl von Shanghai rasant auf 3.133.782 Personen, darunter 69.797 Ausländer mit einem stark gestiegenen Anteil aus Zentraleuropa stammender Flüchtlinge. 1942 erreichte die Zahl der Ausländer und Staatenlosen in Shanghai mit 150.931 Personen einen Höchststand (Zahlen aus Lohfeld 2005).

Ein in Shanghai lebender Auslandsdeutscher kennzeichnete die Situation so: „Was wäre Schanghai ohne die Ausländer? Dschunken Hafen wie viele andere an der Küste, vielleicht etwas sittlich gesünder und nüchterner als das jetzige Schanghai, aber ohne das belebende Kapital. Das haben erst die Ausländer hereingebracht, wie aus einem goldenen Füllhorn wurde es über die Stadt ausgeschüttet." Und Julius R. Kaim, selbst einst Flüchtling in dieser Stadt, beschrieb in seinem Buch ,,Damals in Schanghai" die Situation so: ,,Schanghai, dieser Name bedeutet, über dem Meere', diese Stadt voller Gegensätze: Kneipen mit heimlichen Opium höhlen, Prostitution jeder Art, Gauner-Konsortien, organisierte Bettler, nobelste Hotels, gehetzte ausgepowerte Kulis, Hunderte Erfrorene in einer einzigen Winternacht, fünf Universitäten, großartige Krankenhäuser, mehrere wissenschaftliche Institute, organisierte Gangsterbanden, befehligt von scheinbar höchst respektablen Bürgern, ein glänzendes Orchester, es gibt nichts, was es in dieser Stadt nicht gibt."



Zum Emigrationszentrum Shanghai



Auch während der Jahre des Hitlerfaschismus war Shanghai ein großes Emigrationszentrum. In den Jahren von 1933 bis 1947 lebten in diesem einzig artigen Stadtgebilde rund 18.000 Emigranten (Krohn 2011: Abs. 6), deren Herkunftsländer zum größten Teil Deutschland und Österreich waren, darüber hinaus gab es auch Polen, Tschechoslowaken und einige Rumänen. Durch den Hitlerschen Ausbürgerungserlaß vom Jahre 1939 war die große Mehrzahl von ihnen, darunter alle deutschen Juden, zu ,,stateless refugees", also zu staatenlosen Flüchtlingen geworden.

Shanghai war zu dieser Zeit im Unterschied zum sonstigen China und zu den meisten anderen Städten der freien Welt eine offene Stadt und hatte keine Einwanderungsbeschränkungen. Einige chinesische Diplomaten wie Ho Feng Shan stellten „Schutzpässe“ aus und der japanische Diplomat Chiune Sugihara stellte Transitvisa für Flüchtlinge aus Japan aus. 1943 befahl die japanische Besatzungsarmee den 18.000 Juden in Shanghai, die offiziell als "staatenlose Flüchtlinge" bezeichnet wurden, in Shanghais Bezirk Hongkew, dem heutigen Bezirk Hongkou, auf ein Gebiet von 1,9 km² umzuziehen, was dadurch zu einer Art Ghetto wurde. Die Gesamtzahl der Juden, die während dieser Zeit nach Shanghai kamen, entsprach der Gesamtzahl der Juden, die nach Australien, Kanada, Indien, Neuseeland und Südafrika flohen.

Shanghai war während der Zeit des Holocaust ein wichtiger Zufluchtsort für jüdische Flüchtlinge, da es einer der wenigen Orte weltweit war, an dem bis August 1939 kein Visum erforderlich war. Insofern war es für viele die letzte Möglichkeit, dem nationalsozialistischen Terror zu entfliegen – wer nach Shanghai emigrierte , „hatte keine Wahl“ (Christine Fischer-Defoy im Vorwort zu Barzel 1997). Es war jedoch nicht einfach, dorthin zu gelangen. Die Japaner, die die Stadt kontrollierten, schauten lieber weg. Einige korrupte Beamte nutzten jedoch auch die Situation der Juden aus. Bis 1941 hatten dort fast 20.000 europäische Juden Zuflucht gesucht, darunter ca. 17.000 aus Deutschland (Lohfeld 2005: 264). Kaum einer dieser Flüchtlinge hatte geplant, dort länger zu bleiben – man verstand das Leben dort lediglich als Zwischenstation, als ein „Leben im Wartesaal“ (Barzel 1997). 1946 betrug die Zahl der von der Hebrew Immigrant Aid Society (HIAS) registrierten jüdischen Flüchtlinge in Shanghai noch 16.300, aber danach verließen die meisten von ihnen Shanghai wieder in Richtung USA, Israel oder Australien (Lohfeld 2005).

Während des Krieges setzten sich Nazi-Funktionäre beim japanischen Militär ein, um einen Plan zur Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in Shanghai auszuarbeiten, und dieser Druck wurde schließlich der Führung der jüdischen Gemeinde bekannt. Die Japaner beabsichtigten jedoch nicht, die alliierte Wut nach der bereits bekannten Invasion Chinas und ihrer zusätzlichen Invasion einer Reihe anderer asiatischer Nationen weiter zu provozieren, und verzögerten die deutsche Nachfrage bis zum Ende des Krieges. Mit Hilfe von Amshenower Rebbe und den Übersetzungskünsten von Leo (Ariyeh) Hanin schützten die Japaner die Juden von Shanghai sicher.



Drei Perioden der Emigration nach Shanghai



Die Einwanderung nach Shanghai vollzog sich in drei Perioden.

Die erste begann bereits 1933. Hier einige Sätze aus der deutschsprachigen Emigrantenzeitung The Shanghai Herald vom April 1946 über den Beginn der Einwanderung: „Dass nach der Machtüber-nahme durch Hitler im Jahre 1933 bereits eine Anzahl Auswanderer aus Deutschland, namentlich Akademiker, nach Shanghai kamen, erregte weiter kein Aufsehen, umso weniger, als diese sich hier sehr schnell in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben ein gliederten." „Auch als nach 1935 eine etwas größere Anzahl hier anlangte, hielt man es wohl für nötig, bereits ein Hilfskomitee ins Leben zu rufen, um diese Menschen hier zu unterstützen, legte aber dennoch der Angelegenheit kein allzu großes Gewicht bei."

Die zweite Periode begann Ende 1938, Anfang 1939. Das Konzentrationslager Buchenwald, ab September 1938 für einige Jahre das ,,Judenlager" innerhalb der deutschen Konzentrationslager, war kurze Zeit nach der Kristallnacht nicht mehr in der Lage, weitere Häftlinge aufzunehmen. Die Stunde der sogenannten ,,Endlösung der Judenfrage" (sprich der Liquidierung), war noch nicht gekommen.

Um diese Zeit herum gingen die ersten Gerüchte von einer Auswanderungsmöglichkeit nach Shanghai durch das Lager Buchenwald. Es waren in erster Linie österreichische Häftlinge, die von ihren Angehörigen die Nachricht erhielten, dass eine holländische Organisation mit Namen Gildemeester von Wien aus, wo sie eine Filiale unterhalte, die Auswanderung von Juden nach Shanghai betreibe. Dieses Gerücht wurde zur Tatsache, es dürfte Anfang 1939 gewesen sein, als die ersten nach Shanghai ausreisenden Häftlinge das Lager verließen. In Deutschland waren es diverse jüdische Hilfsvereinigungen, die zusammen mit den Angehörigen der Häftlinge die Auswanderungsmöglichkeiten realisierten. Die Häftlinge in den Lagern hatten auf ihre Entlassung oder Nichtentlassung überhaupt keinen Einfluss. Sie waren hier völlig auf die von außen her wirkenden Kräften angewiesen, nicht zuletzt auf die Unberechenbarkeit der Gestapo.

Diese Periode währte bis zum Ausbruch des zweiten Weltkriegs im September 1939. Innerhalb dieser Zeit waren es meist die großen Dampfer der italienischen Schifffahrtsgesellschaft ,,Lloyd Triestino", die in unaufhörlicher Folge Tausende und Abertausende von Einwanderern nach Shanghai brachten. Die Reiseroute war in der Regel: Triest - Venedig - Brindisi (dort konnte man italienische Truppenverschiffungen nach Abessinien beobachten) -- Suezkanal -- Bombay -- Colombo- Singapur - Hongkong -- Shanghai.

Die dritte Periode: Nach Ausbruch des Krieges in Europa 1939 kamen noch etliche teils per Schiff, teils via Sowjetunion mit dem Sibirienexpreß bis Wladiwostok und dann mit japanischen Dampfern hier an. Das war aber nur noch eine sehr geringe Zahl aus Deutschland, die Mehrzahl waren polnische Juden, die vor dem Zugriff der Nazitruppen fliehen konnten.



Ankunft in Shanghai



Genau 21 Tage dauerte die Überfahrt von Triest nach Shanghai. Drei Wochen verbrachte der Flüchtling an Bord des Schiffes, drei Wochen noch hatte er Gelegenheit, nach europäischen Gepflogenheiten zu leben, sich zu geben, jemand zu sein. Vom 22 Tage an änderte sich das. Angekommen in Shanghai, den ,,Bund"15, jene von Hochhäusern, Banken, Hotels und Verwaltungsgebäuden umsäumte Hafenstraße betretend, wurde er von den Mitgliedern einer Hilfsorganisation in Empfang genommen und -bis auf die wenigen, die im Besitz einer größeren Geldsumme waren, die es ihnen erlaubte, ein eigenes Zimmer in der Internationalen Niederlassung oder dem Französischen Stadtteil zu mieten, auf einen Lkw verladen und nach Hongkju gefahren, verfrachtet im wahrsten Sinne des Wortes. Sie wurden in eines der sechs Flüchtlingsheime eingewiesen. Einige leerstehende Schulen und Fabrikhallen in dem zerschossenen Stadtteil Hongkju durften zur Unterbringung der Emigranten benutzt werden. Das Geschick der Einwanderer wurde von den Hilfskomitees bestimmt. Tenor aller alten,,Shanghailänder" (Bezeichnung für die schon lange in der Stadt residierenden Amerikaner, Engländer, Franzosen, Weißrussen usw.) war: ,,Wir haben euch nicht gerufen, seht zu, wie ihr durchkommt." Dieser Grundsatz war besonders stark in den weißrussisch-jüdischen Kreisen vorhanden. Jedoch auch die Engländer machten ihn sich teilweise zu eigen. So konnte es einen auch nicht verwundern, wenn in den Stellungsinseraten der ,,North China Daily News" (führende englische Zeitung) sehr oft zu lesen war: ,,Servant urgently wanted, no refugees" (Dienstpersonal dringend erwünscht, keine Flüchtlinge).

Von einer antifaschistischen Tätigkeit, einem Auflehnen gegen die Naziherrschaft innerhalb der deutschen Kolonie ist nichts bekannt. Von einigen wenigen weiß man, dass sie sich neutral verhielten, außer ihren Pflichtbeiträgen für die ,,Ortsgruppe Schanghai der NSDAP", die sie zu zahlen hatten, keinerlei nazistische Allüren an den Tag legten.



Deutsche in Shanghai



Es gab vor Beginn der ersten Emigrationswelle 1933 bereits rund 2.500 Deutsche in Shanghai. Für die Naziregierung firmierten sie als Auslandsdeutsche, ihr oberster deutscher Schirmherr war Gauleiter Bohle, der Shanghai-Boß hieß Glathe, er war Mitglied der Shanghaier Stadtverwaltung. Es gab kaum Kontakte zwischen den Emigranten und den Deutschen; sie beschränkten sich zumeist auf kleine Geschäfte, wie Bücher Verkäufe oder Ankäufe. Über die Zusammenarbeit der deutschen Gestapoleitstelle mit den Japanern gibt es viele Beispiele, eines sei hier angeführt: Es ist erwiesen, dass Shanghai Nazis (sie waren ja nicht alle reiche Leute) in den nach Ausbruch des Pazifik-Krieges von den Japanern errichteten Zivilinternierungslagern für amerikanische und englische Staatsbürger Hand in Hand mit den japanischen Streitkräften dort Verwaltungs- und Wachdienste leisteten.
In dem oberen Teil der nach dem französischen Marschall benannten Avenue Foch gab es eine deutsche Schule, eine deutsche Kirche, einen deutschen Klub, es gab die Nazizeitung ..Ostasiatischer Lloyd", es existierte ein deutsches Generalkonsulat, eine deutsche Handelskammer, eine deutsche Gestapoleitstelle. Und im Germania-Restaurant der Resi Seitz, Bubblingwell ad, konnte man ,,wohlgepflegtes Fassbier" trinken.

Einige der führenden deutschen in Shanghai vertretenen Firmen: AEG Siemens das ,,Deutsch-Ost asiatische Handelshaus" Carlowitz die Berliner Lokomotivenfabrik Orenstein & Koppel - das Hamburger Speditionshaus Melchers & Co. die Chemie- und Arzneimittel werke I. G. Farben Ludwigshafen Behring DEFAG Bayer/Leverkusen Siemens u. a. 19. Das sind nur einige wenige Namen einer Reihe von deutschen Firmen, die, während der dortigen langen Kriegsjahre Millionen um Millionen am Waffen- und Munitionsgeschäft verdienten. Und, das liegt ja im Wesen der kapitalistischen Geschäftemacherei --- an wen diese Waffen verkauft wurden, das war ganz gleichgültig.

Es sind noch einige Namen zu nennen, die das Auslandsdeutschtum in Shanghai repräsentierten: Oberstleutnant Ludwig Ehrhardt, alias Eisenträger, Chef des Geheimdienstes des deutschen Oberkommandos (Canaris/Abwehr) im Fernen Osten Hans Mosberg, ein als ,,Ehrenarier" deklarierter Jude, Agent - Dr. Franz Siebert, Generalkonsul in Kanton und zeitweise in Shanghai residierend, Spezialagent Wolfgang Schenke, Vertreter für die einstige Presseagentur ,,Transozean", Doppelagent für die Japaner gegen die Chinesen und vice versa.
Die Masterarbeit von Stephanie Bujak enthält Daten von insgesamt 67 im Biographischen Handbuch der deutschsprachigen Emigration erfassten deutschen Emigranten in Shanghai:

Berufsgruppe Menge       Jahr                   Zielort 1             Jahr                   Zielort 2             Jahr             Zielort 3
Kunst 6 1933 - 1939 Shanghai 1939 - 1947 USA, DT, Italien 1939 - 1957 USA, Italien, DT
Kunst 2 1933 - 1939 UK, Singapur 1940 Shanghai 1946, 1949 Australien, Kanada
Medizin 2 1933, 1938 Shanghai 1933, 1940 USA
Naturwissenschaften 2 1933, 1938 Shanghai 1947 USA
Naturwissenschaften 2 1935, 1941 Mandschurei, USA 1936, 1941 Shanghai 1938, 1948 USA
Öffentlicher Dienst 20 1933 - 1941 Shanghai 1941 - 1949 USA, DT
Öffentlicher Dienst 6 1933 - 1939 UK, Italien, Prag, USA 1933 - 1941 Shanghai 1937 - 1950 USA, DT
Politik 1 1939 Shanghai 1946 Australien
Professur 14 1933 - 1939 Shanghai 1937 - 1953 USA, Israel, DT 1948 - 1965 USA
Professur 4 1934 - 1939 Moskau, India, Polen, Spanien 1936 - 1947 Shanghai 1938 - 1945 USA, Australien
Wirtschaft 4 1933 - 1941 Shanghai 1928 - 1948 USA, Österreich
Wirtschaft 2 1939 Italien, Moskau 1939 Shanghai 1947 USA
Geistliche 2 1939 - 1940 Shanghai 1939, 1949 USA


Zusammenfassend haben wir 21 von Bujak erfasste Personen, die zuerst nach Shanghai, dann in die USA reisten, und 8 Personen, für die Shanghai das zweite Land war, das sie bereisten, um später in die USA zu gelangen, also nur die Hälfte der im Biographischen Handbuch erfassten 67 Personen. Die andere Hälfte remigrierte entweder nach Deutschland, Österreich oder Italien zurück oder ging weiter nach Australien.



Historisches Beispiel eines Exilanten: Der Maler und Grafiker David Ludwig Bloch



Als gehörloser Maler hatte Bloch einen besonders wachen Blick. Die neue Welt, die er als Emigrant in Shanghai erlebte, eignete er sich an, indem er sie sich über ihre Bildlichkeit erschloss. Mit kleinformatigen Holzstichen setzte er den kleinen Leuten, denen er in Shanghaier Straßen begegnete, ein Denkmal. Bloch, am 25. März 1910 in Floß, Deutschland geboren, studierte nach einer Porzellan-Malerlehre an der Staatlichen Akademie für angewandte Kunst in München. Unmittelbar nach den Novemberpogromen wurde Bloch, der jüdischer Herkunft war, festgenommen und für einige Wochen im Konzentrationslager in Dachau interniert. Diese Erfahrung sollte sein Werk nachhaltig beeinflussen. Mit Hilfe seines Bruders, der in den USA lebte, gelang Bloch 1940 die Ausreise nach Shanghai. Für die Einreise nach Shanghai war zu diesem Zeitpunkt kein Visum notwendig.

In Shanghai war Bloch fasziniert von den Rikscha-Kulis, den Straßenverkäufern und den Bettlern. Ihnen widmete er vier grafische Folgen mit den Titeln Rickshaw (1941/42), Beggars (1943), Chinese Children (1944), Yin Yang (1948). Mit handabgezogenen Drucken nutzte Bloch ein grafisches Massenmedium, mit dem er den Bildern ebenso wie den Abgebildeten Individualität verlieh. Nach einer Rom-Reise und der damit einhergehenden Konfrontation mit Darstellungen des gekreuzigten Christus überdachte Bloch den Verstoß an den zehn Geboten, der durch den Holocaust begangen wurde. Ein Besuch in der KZ-Gedenkstätte Dachau führte schließlich zu der Arbeit an einem Werkzyklus, der den Holocaust thematisiert: den Acryl-Zyklus Von A (Adolf Hitler) bis Z (Zyklon B).

Wie viele andere nach Shanghai vertriebene Juden fand Bloch schließlich in seinem eigenen Tempo den Weg in die Vereinigten Staaten. Er starb am 16. September 2002 in Barrytown, USA.



Schlussfolgerung



Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Shanghai für viele Emigranten ein Tor zur Freiheit und zu einem neuen Leben war. So sehr Shanghai den Menschen geholfen hat, so hat auch die Stadt von ihnen profitiert und sich entwickelt. Viele der Emigranten aus Deutschland und Österreich gelangten über Shanghai in die USA, Australien, Italien, Canada, Türkei, Israel oder nach einigen Jahren wieder in ihre Heimat. Der zeitgenössische Bericht und die späteren historischen Analysen, mit denen wir gearbeitet haben, stimmen nicht immer in den genannten Zahlen von Emigrant:innen überein, aber wichtiger als absolute Zahlenwerte sind die wiederkehrenden, oft niederschmetternden Muster in deren Erfahrungen (Benz 1994, Lohmann 2005).


[CB]


Benutzte Literatur



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Amnon Barzel: Leben im Wartesaal. Exil in Shanghai. 1938-1947-, Berlin: Jüdisches Museum im Stadtmuseum Berlin 1997.
Wolfgang Benz: Das Exil der kleinen Leute. Alltagserfahrungen deutscher Juden in der Emigration, Frankfurt: Fischer 1994.
Stephanie Bujak: Visualisierung deutschsprachiger Emigration nach 1933 anhand geotemporaler Karten, Masterarbeit, Univ. Stuttgart, 2018.
Alfred Dreifuss: Shanghai – eine Emigration am Rande, ein Bericht, abgedruckt in Middell u.a. 1979.
Claus-Dieter Krohn: Emigration 1933–1945/1950, Europäische Geschichte online, 2011.
Irene Eber: Wartime Shanghai and the Jewish Refugees from Central Europe: Survival, Co-Existence and Identity, Berlin: De Gruyter, 2016.
Irene Eber (Hrsg.) Jewish refugees in Shanghai 1933-1947. A selection of documents. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2018.
Wiebke Lohfeld: „Du bist nicht mehr Teil Deutschlands“ Die Flucht nach Shanghai 1939. Einzelfallanalyse aus einem DFG-Projekt, BIOS 18 (2005): 264-286.
Eike Middell & Alfred Dreifuss (Hrsg.): Exil in den USA. Leipzig: Reclam Verlag 1979 (= Kunst und Literatur im antifaschistischen Exil 1933-1945, Band 3).
Sonja Mühlberger: Geboren in Shanghai als Kind von Emigranten. Leben und Überleben (1939-1947) im Ghetto von Honkew, Berlin: Hentrich 2006
Herbert A. Strauss: Introduction, International Biographical Dictionary of Central-European Emigration 1933-1945, München: Sauer 1983 (Reprint 1999), XI-XXVI.


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https://library.oapen.org/handle/20.500.12657/44046
https://www.kpbs.org/news/arts-culture/2019/04/26/shanghai-1937-where-world-war-ii-began
https://www.aicgs.org/2019/11/the-unbroken-past-from-germany-to-shanghai-to-san-francisco/
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https://www.historia.ro/sectiune/general/articol/cum-a-ajuns-america-de-sud-paradisul-nazistilor
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http://ieg-ego.eu/de/threads/europa-unterwegs/politische-migration/claus-dieter-krohn-emigration-1933-1945-1950