Wie ein Massenmarkt entsteht: Zur Geschichte der (deutschen) Fahrzeugindustrie (1918–ca. 1960)
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 23
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Die bundesdeutsche Fahrzeugindustrie gilt trotz unsicherer Zukunftsperspektiven heutzutage als Rückgrat der Volkswirtschaft. Sie schafft Arbeitsplätze, sichert Zulieferindustrien Beschäftigung, ist technologieintensiv und exportorientiert. Aus der Perspektive des Jahres 1918 war eine solche Entwicklung keineswegs abzusehen: Die deutsche Fahrzeugindustrie war technologisch rückständig und noch vorwiegend handwerklich geprägt, während große US-amerikanische Hersteller (Ford, General Motors) bereits auf industrielle Massenfertigung umgestellt hatten. Die mehr als 50 Hersteller im Deutschen Reich konkurrierten mit einer Vielzahl unterschiedlicher Modelle im Motorrad- wie im Automobilsegment vor allem um kaufkräftige Bevölkerungsschichten, vernachlässigten jedoch das Massengeschäft. Auch deshalb war die Idee eines „Volkswagens“, wie sie vom Nationalsozialismus propagiert wurde, populär. Bis 1945 sollte es wegen der Priorität von Rüstungs- und Kriegsproduktion jedoch nicht gelingen, individuelle Mobilität als Massenphänomen zu etablieren. Dies gelang erst, freilich auf den Produktionsstrukturen der NS-Zeit aufbauend, seit der „Motorisierungswelle“ im „Wirtschaftswunder“ der frühen Bundesrepublik.
Im Forschungskolloquium werden neuere unternehmenshistorische Forschungen – laufende Vorhaben, kürzlich abgeschlossene oder veröffentlichte Texte – diskutiert.
Einige Sitzungen werden gemeinsam mit dem Kolloquium der Wirkungsgeschichte der Technik (Prof. Bauer) durchgeführt (dienstags, 17.30-19.00). Die Veranstaltungen finden deshalb ebenfalls in Raum KP17/01/M 17.17 statt.
Das Proseminar führt in die Theorien und die Methodik der Geschichtswissenschaft ein und setzt sich mit ihrem Wissenschaftsverständnis auseinander. In der Veranstaltung sollen die Entwicklungen der Theoriedebatten und unterschiedliche Ansätze der Quellenanalyse seit dem frühen 19. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung gegenwärtiger Forschungsdebatten analysiert werden. Thematisiert werden u. a. forschungsgeschichtliche Umbrüche („turns“) und methodische Impulse, die von den Nachbarwissenschaften auf die Geschichtswissenschaft ausgehen. Zudem werden zentrale Begriffe und wissenschaftliche Hilfsmittel vorgestellt. Das Modul wird von der Abteilung Unternehmensgeschichte des Historischen Instituts mit den thematischen Schwerpunkten Historismus, Quellenkunde, Unternehmensgeschichte, Transnationale Geschichte, Politik- und Kulturgeschichte angeboten.
Brexit, Trump, Covid-Pandemie, Krieg in der Ukraine – meist geht heutzutage mit solchen politischen Ereignissen die Frage einher, wie „die Märkte“ auf solche „externen Schocks“ reagieren werden. Damit verweist die Medienberichterstattung auf den (wenig überraschenden) Effekt, dass Politik sich auf Unternehmen in vielfältiger Weise auswirken und deren Entscheidungen beeinflussen kann. Doch hinter solch tagesaktuellen Meldungen steht ein Grundproblem, das unternehmenshistorisch von großer Relevanz ist: Wie gehen Unternehmen mit politischen Entscheidungen und Entwicklungen um, die ihre bisherige Strategie in Frage stellen oder neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen (können)? Wie preisen Unternehmen politisches Risiko in ihre Überlegungen ein?
Tutorium Methode und Theorie 6 (zum Proseminar von Boris Gehlen)
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 23
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Das Tutorium bereitet die methodischen Sitzungen des Proseminars nach, bietet Raum für Nachfragen und gibt praktischen Hilfestellungen beim Start in das Geschichtsstudium.
Geld, Vertrauen und Globalisierung. Aspekte der bundesrepublikanischen Bankengeschichte seit 1945 (Übung mit Exkursion)
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 23
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Welche Rolle spielen Banken in der Gesellschaft? Diese Frage wird besonders seit der globalen Finanzkrise von 2007/2008 in Öffentlichkeit und Wissenschaft kontrovers diskutiert. Diese Übung behandelt das Thema am Beispiel der bundesrepublikanischen Bankengeschichte seit 1945. Anhand ausgewählter Literatur und Quellen wird untersucht, wie Banken in der Bundesrepublik mit Umbrüchen und Strukturwandel umgingen und wie sie umgekehrt durch ihre Geschäftstätigkeit wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Entwicklungen prägten. Zudem wird exemplarisch die biographische Prägung handelnder Personen und die Entwicklung von Bank- und Finanzplätzen betrachtet. Die Übung diskutiert dabei unterschiedliche methodische Ansätze, Fragestellungen und Quellenbestände der Bankengeschichte.
Eine Exkursion ins Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg ist geplant (Termin: 20.6.2023).
Autobiographien und Ego-Dokumente als wirtschafts- und unternehmenshistorische Quellen
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 23
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Autobiographien, Lebenserinnerungen und Interviews mit Zeitzeugen sind wichtige, aber auch problematische geschichtswissenschaftliche Quellen. Sie ermöglichen Akteuren, durch ihre Schilderung der Vergangenheit wirkmächtige Deutungen, bisweilen sogar Mythen, zu etablieren. Beispielsweise prägten in der Regel Männer wie der Verbandsvertreter Henry-Axel Bueck, der Automobilunternehmer Henry Ford, der Chemieindustrielle Carl Duisberg, NS-Rüstungsminister Albert Speer oder der Bankier Alfred Herrhausen mit ihren subjektiven Darstellungen, Beschönigungen und teils gezielten „Erinnerungslücken“ lange ein Bild von sich und ihrer historischen Bedeutung, das einer kritischen wissenschaftlichen Betrachtung nicht stand hält. Doch auch andere Ego-Dokumente, etwa die Erinnerungen von Zwangsarbeiter*innen stellen Historiker*innen vor analytische Herausforderungen. Die Übung stellt sich diesen Herausforderungen und analysiert die Ambivalenzen von (auto-) biographischer Konstruktion, Narrativen, publizistischer Verbreitung (Medialisierung) und Geschichtsschreibung. Sie wird anhand ausgewählter autobiographischer Zeugnisse deren Quellenwert und -probleme diskutieren und sie mit der Historiographie, z.B. in Form einer wissenschaftlichen Biographie, abgleichen.
Ostdeutsches Uran für das sowjetische Atomprogramm: Die Wismut 1947–1991
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 23
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Wenn von „der Wismut“ gesprochen wird, ist stets ein ostdeutsches Unternehmen gemeint, das essenziell für das sowjetische Atomprogramm war. Die Wismut existierte in verschiedenen politischen wie ökonomischen Ordnungssystemen und arbeitet mit anderer Schwerpunktsetzung bis heute. Gegründet wurde sie 1947 in der Sowjetischen Besatzungszone und befand sich im Eigentum der Sowjetunion. 1954 folge die Umwandlung in eine gemeinsame sowjetisch-ostdeutsche Eigentumsform, wobei die Sowjetunion inoffiziell bestimmend blieb. 1991 wurde die Wismut in ein Bundesunternehmen umgewandelt, das sich bis heute nur noch und ausschließlich mit der Sanierung und Rekultivierung der durch Raubbau und planwirtschaftliche Bedingungen enorm beschädigten Landschaften befasst.
Die Veranstaltung wird sich mit der Geschichte der Wismut befassen und dabei grundsätzlich chronologisch vorgehen. Nach einer Einführung ins Thema widmen sich einzelne Veranstaltungen allgemein der Planwirtschaft in der SBZ und DDR, der Vorgeschichte und Gründung der Wismut AG 1945–1947, dem strategischen Wert der Wismut AG im Kalten Krieg 1947–1954, den Problemen der SDAG Wismut um den „Einstieg“ der DDR 1954, dem Rückgang der Bedeutung für die Sowjetunion 1954–1962, der Problematik der angestrebten Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt 1962–1989, dem für die Wismut besonders vielschichtigen Umbruchsjahr 1989/1990, der Neuausrichtung 1991 und der Wiederherstellung der beschädigten Landschaften. Eine eigene Sitzung wird sich mit der aktuellen Frage beschäftigen, wie es mit der Wismut weitergehen kann und welche politischen und ökonomischen Hindernisse sich dabei in den Weg stellen sowie noch stellen dürften. Die vorletzte Sitzung bespricht offene Fragen und die letzte versucht zu einem Fazit über die Wismut zu gelangen.
Modernisierung, Mobilisierung, Globalisierung: Wirtschafts-, Unternehmens- und Sozialgeschichte des Kaiserreichs (1871–1918)
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 23
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Das 1871 gegründete deutsche Kaiserreich war durch eine zuvor ungekannte ökonomische Dynamik geprägt. Der Wandel vom Agrar- zum Industriestaat ging freilich mit tiefgreifenden wirtschaftlichen und sozialen Krisen einher, beschwor zahlreiche gesellschaftliche Konflikte herauf und hinterlässt somit ein zwiespältiges Bild: Auf der einen Seite entwickelte sich das Kaiserreich zu einer wirtschaftlichen Großmacht mit modernen, leistungsfähigen Institutionen (z. B. Rechts-, Sozial-, Bildungs-, Bankensystem; Großunternehmen). Auf der anderen Seite konterkarierte es eine Globalisierung, von der es grundsätzlich profitierte (Schutzzollpolitik; Kartelle), grenzte weite Teile der Bevölkerung von politischer Teilhabe aus (Arbeiterschaft; Frauen) und mobilisierte Ressourcen für eine fragwürdige Weltpolitik (Kolonialismus; Flottenrüstung).
Die Vorlesung stellt die Unternehmens-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Kaiserreichs im internationalen Kontext dar, erläutert maßgebliche ökonomische und soziale Prozesse und erklärt gesellschaftliche Konflikte, Handlungsmotive und Widersprüche.