Agenten der Globalisierung? Multinationale Unternehmen im 19. und 20. Jahrhundert
LV-Nr.:
212418001
Vortragende:
Univ.-Prof. Dr. phil. Boris Gehlen
Kirsten Thiel
Art:
Vorlesung
Semesterwochenstunden:
2
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 24
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Multinationale Unternehmen (Multinational Enterprises (MNE)) sind zentrale, gleichwohl ambivalente Akteure im ökonomischen (Globalisierungs-)Prozess. Sie investieren grenzüberschreitend, schaffen Arbeitsplätze, transferieren Wissen, etablieren „globale“ Marken und erhöhen derart Wohlstand. Sie vermeiden freilich auch Steuerzahlungen, entziehen sich un-erwünschten rechtlichen bzw. ökologischen Standards, verlagern Arbeitsplätze und beschränken auf diese Weise auch die Handlungsmöglichkeiten von Nationalstaaten. Die Entwicklung multinationaler Unternehmen verlief freilich nicht linear, sondern wurde seit dem 19. Jahrhundert durch eine Vielzahl ökonomischer, gesellschaftlicher und politischer Prozesse und Umbrüche beeinflusst. Die Vorlesung erklärt die Entwicklung multinationaler Unternehmen im 19. und 20. Jahrhundert und erläutert betriebswirtschaftliche Logiken sowie Wirkungen auf Volkswirtschaften und Gesellschaften. Sie stellt im ersten Teil chronologisch die zentralen Entwicklungslinien dar, benennt Dimensionen und erläutert zeittypische Probleme anhand von Fallbeispielen. Im zweiten Teil diskutiert die Vorlesung einzelne systematische Aspekte der historischen Beschäftigung mit MNE, z.B. ihre Rolle im Kolonialismus, ihr Verhältnis zum National- (und Steuer-)Staat sowie zur (globalen) Umwelt- und Klimapolitik.
Das Proseminar führt in die Theorien und die Methodik der Geschichtswissenschaft ein und setzt sich mit ihrem Wissenschaftsverständnis auseinander. In der Veranstaltung sollen die Entwicklungen der Theoriedebatten und unterschiedliche Ansätze der Quellenanalyse seit dem frühen 19. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung gegenwärtiger Forschungsdebatten analysiert werden. Thematisiert werden u. a. forschungsgeschichtliche Umbrüche („turns“) und methodische Impulse, die von den Nachbarwissenschaften auf die Geschichtswissenschaft ausgehen. Zudem werden zentrale Begriffe und wissenschaftliche Hilfsmittel vorgestellt. Das Modul wird von der Abteilung Unternehmensgeschichte des Historischen Instituts mit den thematischen Schwerpunkten Historismus, Quellenkunde, Unternehmensgeschichte, Transnationale Geschichte, Politik- und Kulturgeschichte angeboten.
Tutorium Methode und Theorie 6 (zum Proseminar von Juliane Clegg)
LV-Nr.:
212418121
Vortragende:
Ralph Rappoldt
Kirsten Thiel
Art:
Tutorium
Semesterwochenstunden:
2
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 24
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Das Tutorium bereitet die methodischen Sitzungen des Proseminars nach, bietet Raum für Nachfragen und gibt praktischen Hilfestellungen beim Start in das Geschichtsstudium.
„Samstags gehört Vati mir“? Unternehmen und Arbeit in der Industriemoderne
LV-Nr.:
212418201
Vortragende:
Univ.-Prof. Dr. phil. Boris Gehlen
Kirsten Thiel
Art:
Hauptseminar
Semesterwochenstunden:
2
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 24
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Mit dem Slogan „Samstags gehört Vati mir“ warb der Deutsche Gewerkschaftsbund in den 1950er Jahren erfolgreich für die Einführung der Fünf-Tage-Woche. Die damit einhergehende Verkürzung der Arbeitszeit fügt sich in eine lange Historie der Ausgestaltung der Industriellen Beziehungen seit dem 19. Jahrhundert ein. Dieser Begriff bezeichnet sowohl die betrieblichen als auch die überbetrieblichen (z.B. Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Staat) Beziehungen zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen inkl. gesetzlicher Rahmenbedin-gungen und unternehmensinterner Praktiken, etwa hinsichtlich der Arbeitszeit, der Lohnhöhe, der Arbeitsbedingungen, des Arbeits- und Streikrechts, der sozialen Sicherung, der Ausbildung und der Geschlechterverhältnisse. Industrielle Beziehungen sind daher auch für die Struktur und das Selbstverständnis von Gesellschaften von herausragender Bedeutung.
Lektürekurs Englisch: Business, Environment and „Greenwashing“
LV-Nr.:
212418301
Vortragende:
Univ.-Prof. Dr. phil. Boris Gehlen
Kirsten Thiel
Art:
Seminar
Semesterwochenstunden:
2
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 24
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Greenwashing bezeichnet die Praxis von Unternehmen, sich als umweltfreundlich und nachhaltig zu präsentieren, obwohl sie faktisch nur wenig wirksame Maßnahmen in dieser Hinsicht ergreifen. Der Lektürekurs diskutiert die Diskrepanz zwischen gewinnorientiertem Geschäftsmodell sowie „echtem“ und „behauptetem“ Umweltbewusstsein auf der Basis von englischsprachigen Aufsätzen aus Fachzeitschriften sowie Veröffentlichungen und Selbstbeschreibungen ausgewählter Unternehmen.
Innovative Frauen – Unternehmerinnen im 19. und 20. Jahrhundert (Übung mit Exkursion)
LV-Nr.:
212418403
Vortragende:
Juliane Clegg
Kirsten Thiel
Art:
Übung
Semesterwochenstunden:
2
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 24
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Unternehmertum hat kein Geschlecht per se – zumindest, wenn man der weithin rezipierten Definition von Joseph A. Schumpeter folgt. Er legt Innovation, die Neukombination von Produktionsfaktoren, als entscheidendes Kriterium an. Dennoch hat sich zeitgenössisch in den Wirtschafts-, Sozial- und Geschichtswissenschaften eine heroische Konstruktion von Männlichkeit durchgesetzt: „Der Unternehmer“ (Fritz Redlich) war selbstverständlich ein Mann. Diese Vorstellung hatte zur Folge, dass die unternehmerische Leistung von Frauen bis in das 20. Jahrhundert weder in der Wissenschaft noch in der breiteren Öffentlichkeit anerkannt wurde. Dabei legen neuere Forschungen nahe, dass historisch mindestens ein Viertel aller Gewerbebetriebe und Unternehmen in Deutschland von Frauen geleitet wurde. Erst in jüngerer Zeit hinterfragt die Unternehmensgeschichte das Stereotyp des heroischen männlichen Unternehmers. Diese Übung diskutiert anhand ausgewählter Fallbeispiele die unternehmerische Leistung von Frauen im 19. Jahrhunderts sowie den Forschungsstand und die Quellenlage. Flankiert wird die Übung durch eine Exkursion in das Wirtschaftsarchiv (Termin wird noch bekannt gegeben).
Im Forschungskolloquium werden neuere unternehmenshistorische Forschungen – laufende Vorhaben, kürzlich abgeschlossene oder veröffentlichte Texte – diskutiert.
Die Sitzungen werden gemeinsam mit dem Kolloquium der Wirkungsgeschichte der Technik (Prof. Bauer) durchgeführt (dienstags, 17.30-19.00). Die Veranstaltungen finden deshalb ebenfalls in Raum KP17/01/M 17.17 statt.
Unternehmensgeschichte. Eine Einführung in Methoden und Themen Die Unternehmensgeschichte ist ein Brückenfach zwischen Ökonomie, Soziologie, Rechts- und Geschichtswissenschaft. Sie verbindet theoriegeleitetes mit historisch-kritischem Vorgehen. Die Vorlesung führt in maßgebliche Theorien und methodische Konzepte der Unterneh-mensgeschichte ein und arbeitet die wichtigsten Erträge der Forschung heraus.
Diskussionssitzungen: Diese Termine bieteten den Studierenden die Möglichkeit, dem Dozenten Nachfragen zum Stoff der Vorlesung zu stellen, einzelne Aspekte zu vertiefen und über die präsentierten Inhalte zu diskutieren.
Die Rolle von Unternehmen im Nationalsozialismus wird in Gesellschaft und Geschichtswissenschaft seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Das Proseminar befasst sich mit Geschichte und Geschichtsschreibung von Unternehmen im Nationalsozialismus und beleuchtet dabei die Kontroversen um unternehmerische Handlungsspielräume, Zwangsarbeit, die Arisierung jüdischer Betriebe sowie die Kontinuitäten und Diskontinuitäten bei den wirtschaftlichen Eliten. Dabei wird auch reflektiert, welche Wirkung die Forschungskonjunktur der 1990er Jahre zu Unternehmen im Nationalsozialismus auf Methodik und Fach der Unternehmensgeschichte hatte. Die Geschichte von Unternehmen im Nationalsozialismus eignet sich daher besonders gut, um die Vielgestaltigkeit und Herausforderungen der Geschichtswissenschaft exemplarisch aufzuzeigen und dabei die Grundlagen des Geschichtsstudiums und des wissenschaftlichen Arbeitens zu schulen.
Das Tutorium bereitet die methodischen Sitzungen des Proseminars nach, bietet Raum für Nachfragen und gibt praktischen Hilfestellungen beim Start in das Geschichtsstudium.
Unternehmen zwischen Kolonialismus, Dekolonisierung und Postkolonialismus
LV-Nr.:
212328201
Vortragende:
Univ.-Prof. Dr. phil. Boris Gehlen
Kirsten Thiel
Art:
Hauptseminar
Semesterwochenstunden:
2
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
WS 23/24
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein prägten im Wesentlichen imperiale Strukturen die Welt. Seit der europäischen Expansion und verstärkt durch den Imperialismus des 19. Jahrhunderts bestimmten von Europa ausgehende Herrschaftsbeziehungen Politik, Wirtschaft und Kultur in anderen Teilen des Globus maßgeblich mit. Die langfristigen Auswirkungen dieser Herrschaft sind bis heute spürbar und werden in jüngerer Zeit im postkolonialen Paradigma neu diskutiert, indem u.a. nach den Auswirkungen kolonialer Herrschaft nach deren Ende (De-Kolonisierung) gefragt, die Persistenz in Denk- und Handlungsmuster „westlicher“ Akteure herausgearbeitet und nicht zuletzt die Interdependenz zwischen Zentrum und Peripherie klarer gefasst werden. (Multinationale) Unternehmen nehmen in diesen Prozessen eine ambivalente und wandlungsreiche Rolle ein. Sie initiierten koloniale Strukturen mit, profitierten von unfreier Arbeit sowie dem Zugriff auf Rohstoffvorkommen und neuen Absatzmärkten. Sie stellten jedoch auch Arbeitsplätze und Einkommensmöglichkeiten bereit, setzen Impulse zur wirtschaftlichen Entwicklung und erwarben interkulturelle Kompetenzen. Das Seminar hat zum Ziel, die Rolle von multinationalen Unternehmen in (post-)kolonialen Kontext theoretisch zu diskutieren, exemplarisch für das 19. und 20. Jahrhundert zu analysie-ren und nach Kräften des organisationalen und kulturellen Wandels zu fragen. Dabei werden sowohl einzelne Themenfelder (z.B. Arbeitsverhältnisse, Wertschöpfungsketten, Herrschaft) als auch einzelne Unternehmen näher betrachtet.
Lektürekurs Englisch: Theories of Planned Economies
LV-Nr.:
212328301
Vortragende:
Dr. phil. Daniel Meis
Kirsten Thiel
Art:
Seminar
Semesterwochenstunden:
2
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
WS 23/24
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Planwirtschaft ist nicht gleich Planwirtschaft. Weder in der praktischen Umsetzung, noch in der politischen Theorie kann von ‚der‘ Planwirtschaft gesprochen werden. Insofern unterscheiden sich auch die politischen Theorien und Ideen jener stark voneinander. Zentralen Einfluss hatten dabei deutsche wie russische Vordenker, aber auch und gerade britische und französische Sozialisten versuchten eigene Theorien zu erarbeiten. Heute sind es nicht zuletzt die wenigen übrig gebliebenden Planwirtschaften und ihre restlichen Ausformungen wie in China, aus denen Theorien entstehen. Die Unterschiede in Begründung, Umsetzung, Übergangszeiten und Problembewusstsein sind dabei bis heute teils gravierend. Der Lektürekurs wird dabei die Theorien besprechen, vergleichen und auf ihre praktischen Probleme hin untersuchen. Deutsche Ideen werden auf deutscher Textgrundlage vorbereitend gelesen und dann diskutiert; alle anderen Ideen werden in englischen Übersetzungen gelesen und besprochen.
Zwischen Kaufmannsehre und Unternehmensethik: Gibt es "moralisches" Unternehmertum?
LV-Nr.:
212328401
Vortragende:
Univ.-Prof. Dr. phil. Boris Gehlen
Kirsten Thiel
Art:
Übung
Semesterwochenstunden:
2
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
WS 23/24
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Die moderne Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte ist reich an Krisen, Betrugsfällen, kriminellen Machenschaften und Ausbeutung. Die Art und Weise, wie große Teile der Menschheit wirtschaften (müssen), ermöglicht und verstärkt materielle Ungleichheit bzw. Verteilungskonflikte und verursacht Umwelt- und Klimaschäden. Der Kapitalismus wirft also offenkundig moralische bzw. ethische Fragen auf, die nicht nur explizite Kapitalismuskritiker*innen beschäftigt, sondern auch Akteure, die prinzipiell mit der marktwirtschaftlichen Wettbewerbsökonomie nicht das geringste Problem haben: Unternehmer*innen und Unternehmen. Sie würden von sich jedoch nicht behaupten, unethisch oder unmoralisch zu handeln, sondern – im Gegenteil – durch ihr ökonomisch wie philanthropisches Wirken Gutes zu tun. Die Übung wird diese Widersprüche anhand historischer Beispiele thematisieren. Sie diskutiert, inwiefern Konzepte wie „Kaufmannsehre“, „Bürgerlichkeit“, „Philanthropie“ oder „Unternehmensethik“ das Handeln von Unternehmen tatsächlich beeinflusst und bis zu welchem Grad gewinnorientierte Unternehmen in der Vergangenheit „moralisch angemessen“ gehandelt haben. Denn weder Unternehmer*innen noch Unternehmen agieren in einem normfreien Raum, sondern ihre Tätigkeiten sind durch Gesetze und Regeln, aber auch durch Wertvorstellungen, Prinzipien und wechselseitig akzeptierten Usancen strukturiert bzw. eingebettet („embedded“). In der Übung werden auf Basis von Literatur und Quellen Konzepte („moral economy“, „embeddedness“, Unternehmensethik) ebenso kritisch diskutiert wie konkrete Praktiken z.B. im Handel, an Börsen und in Unternehmen. Die Diskussionsergebnisse sowie einzelnen Beispiele werden abschließend in einer gemeinsamen Blocksitzung (Termin: N.N.) mit der Übung „212322401: Die Ehre des Kaufmanns im Mittelalter (Prof. Dr. Mark Mersiowsky)“ diskutiert, um Konstanten und Brüche kaufmännischer bzw. unternehmerischer Ehrkonzepte herauszuarbeiten.
Erinnerung, Identität und Image: Unternehmensgeschichte zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Wissenschaft (Übung mit Exkursion)
LV-Nr.:
212328403
Vortragende:
Juliane Clegg
Art:
Übung
Semesterwochenstunden:
2
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
WS 23/24
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Wie nutzen Unternehmen Geschichte? Welche Bedeutung hat sie für die Identität von Unternehmen? Und wie kann die Unternehmensgeschichte damit umgehen? Diesen zentralen Fragen geht die Übung nach. Anhand ausgewählter Texte und Fallstudien wird die Rolle der Unternehmensgeschichte als strategisches Instrument analysiert und erörtert, wie Unternehmen ihre eigene Geschichte gestalten, bewahren und nutzen. Dabei wird die Funktion der Unternehmensgeschichte als Kommunikationsmittel zur Vermittlung der Markenbotschaft und ihr Einfluss auf die Unternehmensidentität und -kultur beleuchtet. Zudem wird die Rolle der unternehmenshistorischen Forschung zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeitsarbeit reflektiert und diskutiert, welche Methoden und Quellen verwendet werden können. Flankiert werden die Seminardiskussionen durch eine Exkursion in ein Unternehmensarchiv (Termin wird noch bekannt gegeben).
Im Forschungskolloquium werden neuere unternehmenshistorische Forschungen – laufende Vorhaben, kürzlich abgeschlossene oder veröffentlichte Texte – diskutiert.
Einige Sitzungen werden gemeinsam mit dem Kolloquium der Wirkungsgeschichte der Technik (Prof. Bauer) durchgeführt (dienstags, 17.30-19.00).
Modernisierung, Mobilisierung, Globalisierung: Wirtschafts-, Unternehmens- und Sozialgeschichte des Kaiserreichs (1871–1918)
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 23
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Das 1871 gegründete deutsche Kaiserreich war durch eine zuvor ungekannte ökonomische Dynamik geprägt. Der Wandel vom Agrar- zum Industriestaat ging freilich mit tiefgreifenden wirtschaftlichen und sozialen Krisen einher, beschwor zahlreiche gesellschaftliche Konflikte herauf und hinterlässt somit ein zwiespältiges Bild: Auf der einen Seite entwickelte sich das Kaiserreich zu einer wirtschaftlichen Großmacht mit modernen, leistungsfähigen Institutionen (z. B. Rechts-, Sozial-, Bildungs-, Bankensystem; Großunternehmen). Auf der anderen Seite konterkarierte es eine Globalisierung, von der es grundsätzlich profitierte (Schutzzollpolitik; Kartelle), grenzte weite Teile der Bevölkerung von politischer Teilhabe aus (Arbeiterschaft; Frauen) und mobilisierte Ressourcen für eine fragwürdige Weltpolitik (Kolonialismus; Flottenrüstung).
Die Vorlesung stellt die Unternehmens-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Kaiserreichs im internationalen Kontext dar, erläutert maßgebliche ökonomische und soziale Prozesse und erklärt gesellschaftliche Konflikte, Handlungsmotive und Widersprüche.
Das Proseminar führt in die Theorien und die Methodik der Geschichtswissenschaft ein und setzt sich mit ihrem Wissenschaftsverständnis auseinander. In der Veranstaltung sollen die Entwicklungen der Theoriedebatten und unterschiedliche Ansätze der Quellenanalyse seit dem frühen 19. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung gegenwärtiger Forschungsdebatten analysiert werden. Thematisiert werden u. a. forschungsgeschichtliche Umbrüche („turns“) und methodische Impulse, die von den Nachbarwissenschaften auf die Geschichtswissenschaft ausgehen. Zudem werden zentrale Begriffe und wissenschaftliche Hilfsmittel vorgestellt. Das Modul wird von der Abteilung Unternehmensgeschichte des Historischen Instituts mit den thematischen Schwerpunkten Historismus, Quellenkunde, Unternehmensgeschichte, Transnationale Geschichte, Politik- und Kulturgeschichte angeboten.
Tutorium Methode und Theorie 6 (zum Proseminar von Boris Gehlen)
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 23
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Das Tutorium bereitet die methodischen Sitzungen des Proseminars nach, bietet Raum für Nachfragen und gibt praktischen Hilfestellungen beim Start in das Geschichtsstudium.
Wie ein Massenmarkt entsteht: Zur Geschichte der (deutschen) Fahrzeugindustrie (1918–ca. 1960)
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 23
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Die bundesdeutsche Fahrzeugindustrie gilt trotz unsicherer Zukunftsperspektiven heutzutage als Rückgrat der Volkswirtschaft. Sie schafft Arbeitsplätze, sichert Zulieferindustrien Beschäftigung, ist technologieintensiv und exportorientiert. Aus der Perspektive des Jahres 1918 war eine solche Entwicklung keineswegs abzusehen: Die deutsche Fahrzeugindustrie war technologisch rückständig und noch vorwiegend handwerklich geprägt, während große US-amerikanische Hersteller (Ford, General Motors) bereits auf industrielle Massenfertigung umgestellt hatten. Die mehr als 50 Hersteller im Deutschen Reich konkurrierten mit einer Vielzahl unterschiedlicher Modelle im Motorrad- wie im Automobilsegment vor allem um kaufkräftige Bevölkerungsschichten, vernachlässigten jedoch das Massengeschäft. Auch deshalb war die Idee eines „Volkswagens“, wie sie vom Nationalsozialismus propagiert wurde, populär. Bis 1945 sollte es wegen der Priorität von Rüstungs- und Kriegsproduktion jedoch nicht gelingen, individuelle Mobilität als Massenphänomen zu etablieren. Dies gelang erst, freilich auf den Produktionsstrukturen der NS-Zeit aufbauend, seit der „Motorisierungswelle“ im „Wirtschaftswunder“ der frühen Bundesrepublik.
Brexit, Trump, Covid-Pandemie, Krieg in der Ukraine – meist geht heutzutage mit solchen politischen Ereignissen die Frage einher, wie „die Märkte“ auf solche „externen Schocks“ reagieren werden. Damit verweist die Medienberichterstattung auf den (wenig überraschenden) Effekt, dass Politik sich auf Unternehmen in vielfältiger Weise auswirken und deren Entscheidungen beeinflussen kann. Doch hinter solch tagesaktuellen Meldungen steht ein Grundproblem, das unternehmenshistorisch von großer Relevanz ist: Wie gehen Unternehmen mit politischen Entscheidungen und Entwicklungen um, die ihre bisherige Strategie in Frage stellen oder neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen (können)? Wie preisen Unternehmen politisches Risiko in ihre Überlegungen ein?
Autobiographien und Ego-Dokumente als wirtschafts- und unternehmenshistorische Quellen
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 23
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Autobiographien, Lebenserinnerungen und Interviews mit Zeitzeugen sind wichtige, aber auch problematische geschichtswissenschaftliche Quellen. Sie ermöglichen Akteuren, durch ihre Schilderung der Vergangenheit wirkmächtige Deutungen, bisweilen sogar Mythen, zu etablieren. Beispielsweise prägten in der Regel Männer wie der Verbandsvertreter Henry-Axel Bueck, der Automobilunternehmer Henry Ford, der Chemieindustrielle Carl Duisberg, NS-Rüstungsminister Albert Speer oder der Bankier Alfred Herrhausen mit ihren subjektiven Darstellungen, Beschönigungen und teils gezielten „Erinnerungslücken“ lange ein Bild von sich und ihrer historischen Bedeutung, das einer kritischen wissenschaftlichen Betrachtung nicht stand hält. Doch auch andere Ego-Dokumente, etwa die Erinnerungen von Zwangsarbeiter*innen stellen Historiker*innen vor analytische Herausforderungen. Die Übung stellt sich diesen Herausforderungen und analysiert die Ambivalenzen von (auto-) biographischer Konstruktion, Narrativen, publizistischer Verbreitung (Medialisierung) und Geschichtsschreibung. Sie wird anhand ausgewählter autobiographischer Zeugnisse deren Quellenwert und -probleme diskutieren und sie mit der Historiographie, z.B. in Form einer wissenschaftlichen Biographie, abgleichen.
Ostdeutsches Uran für das sowjetische Atomprogramm: Die Wismut 1947–1991
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 23
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Wenn von „der Wismut“ gesprochen wird, ist stets ein ostdeutsches Unternehmen gemeint, das essenziell für das sowjetische Atomprogramm war. Die Wismut existierte in verschiedenen politischen wie ökonomischen Ordnungssystemen und arbeitet mit anderer Schwerpunktsetzung bis heute. Gegründet wurde sie 1947 in der Sowjetischen Besatzungszone und befand sich im Eigentum der Sowjetunion. 1954 folge die Umwandlung in eine gemeinsame sowjetisch-ostdeutsche Eigentumsform, wobei die Sowjetunion inoffiziell bestimmend blieb. 1991 wurde die Wismut in ein Bundesunternehmen umgewandelt, das sich bis heute nur noch und ausschließlich mit der Sanierung und Rekultivierung der durch Raubbau und planwirtschaftliche Bedingungen enorm beschädigten Landschaften befasst.
Die Veranstaltung wird sich mit der Geschichte der Wismut befassen und dabei grundsätzlich chronologisch vorgehen. Nach einer Einführung ins Thema widmen sich einzelne Veranstaltungen allgemein der Planwirtschaft in der SBZ und DDR, der Vorgeschichte und Gründung der Wismut AG 1945–1947, dem strategischen Wert der Wismut AG im Kalten Krieg 1947–1954, den Problemen der SDAG Wismut um den „Einstieg“ der DDR 1954, dem Rückgang der Bedeutung für die Sowjetunion 1954–1962, der Problematik der angestrebten Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt 1962–1989, dem für die Wismut besonders vielschichtigen Umbruchsjahr 1989/1990, der Neuausrichtung 1991 und der Wiederherstellung der beschädigten Landschaften. Eine eigene Sitzung wird sich mit der aktuellen Frage beschäftigen, wie es mit der Wismut weitergehen kann und welche politischen und ökonomischen Hindernisse sich dabei in den Weg stellen sowie noch stellen dürften. Die vorletzte Sitzung bespricht offene Fragen und die letzte versucht zu einem Fazit über die Wismut zu gelangen.
Geld, Vertrauen und Globalisierung. Aspekte der bundesrepublikanischen Bankengeschichte seit 1945 (Übung mit Exkursion)
Unterrichtssprache:
Deutsch
Semester:
SS 23
Organisationsname:
Unternehmensgeschichte
Inhalt:
Welche Rolle spielen Banken in der Gesellschaft? Diese Frage wird besonders seit der globalen Finanzkrise von 2007/2008 in Öffentlichkeit und Wissenschaft kontrovers diskutiert. Diese Übung behandelt das Thema am Beispiel der bundesrepublikanischen Bankengeschichte seit 1945. Anhand ausgewählter Literatur und Quellen wird untersucht, wie Banken in der Bundesrepublik mit Umbrüchen und Strukturwandel umgingen und wie sie umgekehrt durch ihre Geschäftstätigkeit wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Entwicklungen prägten. Zudem wird exemplarisch die biographische Prägung handelnder Personen und die Entwicklung von Bank- und Finanzplätzen betrachtet. Die Übung diskutiert dabei unterschiedliche methodische Ansätze, Fragestellungen und Quellenbestände der Bankengeschichte.
Eine Exkursion ins Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg ist geplant (Termin: 20.6.2023).
Im Forschungskolloquium werden neuere unternehmenshistorische Forschungen – laufende Vorhaben, kürzlich abgeschlossene oder veröffentlichte Texte – diskutiert.
Einige Sitzungen werden gemeinsam mit dem Kolloquium der Wirkungsgeschichte der Technik (Prof. Bauer) durchgeführt (dienstags, 17.30-19.00). Die Veranstaltungen finden deshalb ebenfalls in Raum KP17/01/M 17.17 statt.